Sören Seebold (links), Luis Conrad (Mitte) und Christoph Lübrecht (rechts) treiben Hannover United gegen den BBC Münsterland von der Bank aus an. Foto: Torben Lobback
Von Viviane Müller

Hannover. Der Weg von der Kabine in die Halle ist nicht weit. Raus aus der Kabinentür, einmal rechts, dann links. Durch die offene Tür ist schon ein Teil des Spielfelds und ein Korb zu sehen. Dahinter die Ersatzbank von Hannover United. Noch zehn Meter bis zum Eingang. Aus der Halle dringt Musik. Trommeln werden geschlagen. Noch fünf Meter. Inzwischen sind die Handflächen etwas feucht, der Puls beschleunigt. Drei Züge an den Reifen, dann tauchen Sören Seebold (18) und Luis Conrad (17) ein in die Rollstuhlbasketball-Bundesliga-Atmosphäre. Für beide ist es eine Premiere. "Das war der Moment als ich dachte: Krass, das passiert wirklich", sagt Seebold. Für Conrad war es "mein ganz besonderes Highlight, als bei der Mannschaftsvorstellung mein Name aufgerufen wurde und ich aufs Feld gefahren bin - ein Gänsehautmoment, den man nicht wieder vergisst".

Als das Duo nach der Teambesprechung 30 Minuten vor Spielbeginn gegen den BBC Münsterland auf das Spielfeld fährt, sind die Ränge gut gefüllt. Zuschauerinnen und Zuschauer begrüßen die Mannschaft mit Applaus, die angereisten Eltern winken. "Das war schon ein wahnsinniges Gefühl", sagt Seebold und grinst breit. Als Akteure sind sie sonst meist leere Tribünen gewohnt. Die beiden United-Talente spielen derzeit mit Hannover United II in der Regionalliga. "Da kommen kaum Zuschauer. Meist sitzen nur die Eltern und Verwandte in den großen Hallen", erzählt Conrad. Dann lacht er. Seebold und Conrad kennen die Heimspiel-Atmosphäre in der United Arena eigentlich gut - aber aus einer anderen Perspektive. Seebold sitzt seit drei Jahren als Co-Kommentator am Livestream-Tisch. Und Conrad unterstützt die Erstligamannschaft von außen so oft es geht in Corona-Zeiten.

Dieses Mal ist alles anders, weil United einen knappen Kader hat. Die niederländische Nationalspielerin Mariska Beijer fehlt aufgrund den Nachwirkungen einer Covid-19-Infektion im Dezember dem Team seit längerem. In der freien Zeit nach dem Köln-Spiel infizierten sich zuerst Alexander Budde, dann Tobias Hell. Dadurch hat Martin Kluck so gut wie keine Optionen mehr. Der Trainer muss sich also vor der wichtigen Begegnung gegen Münsterland etwas einfallen lassen. Mit den Worten "Ich habe einen kleinen Anschlag auf euch vor" überrascht der Coach Seebold und Conrad am Dienstag vor dem Spiel auf dem Weg zum Frühtraining im Aufzug. "Es war einfach surreal. Ich habe mich sehr darüber gefreut, gerechnet habe ich damit nicht", so Conrad. Seebold sagt, er sei "sehr aufgeregt" gewesen, als er von der Nominierung erfahren habe.

 


Luis Conrad (rechts) und klatscht vor dem Spiel mit Sören Seebold (Mitte) und United-Kapitän Jan Sadler ab. Foto: Andreas Stich 

 

Die Integration funktioniert gut. Seebold trainiert immer mal wieder mit der 1. Mannschaft. Beide leben im Lotto-Sportinternat, in dem auch Kapitän Jan Sadler, Oliver Jantz und Alexander Budde gewohnt haben. Gemeinsam mit Budde und Hell holte das Duo bei der U22-Europameisterschaft im vergangenen Jahr Silber. Im Halbfinale rangen sie Israel und Amit Vigoda nieder. Man kennt sich also gut, das erleichtert den Einstieg auf dem neuen Niveau. "Feinbestimmungen und Abläufe hatten wir natürlich noch nicht so drauf. Da hat uns die Mannschaft sehr geholfen", so Seebold.

Und dann wird es auch schon ernst. Freitagabend Abschlusstraining in der United Arena. Am Sonnabend geht es ausgeschlafen und nach einem guten Frühstück gegen 16.30 Uhr in die Kabine. Umziehen, ein paar lockere Sprüche, Schulter klopfen und raus zum Warmmachen - eine sehr positive Stimmung, wie beide sagen. "Beim ersten Werfen war alles noch entspannt", sagt Seebold. Der Puls steigt erst, als die Mannschaft zur Abschlussbesprechung in der Kabine verschwindet.

Das Spiel läuft dann leider nicht wie gewünscht. Dabei sind die Bedingungen vor voller Halle fast perfekt. Doch United wirkt verkrampft, spielt teilweise einen wilden Ball - und trifft viel zu selten. Münsterland hingegen, das es noch mit dem Abstiegskampf zu tun bekommen könnte, trifft besser und hat mit dem Niederländer Mattijs Bellers einen Turm unter dem Korb. United rollt von der Mitte des ersten Viertels an einem Rückstand hinterher. Das kostet zusätzlich Kraft.

 


Bundesliga-Debüt: Sören Seebold darf gegen den BBC Münsterland für viereinhalb Minuten auf's Feld. Foto: Andreas Stich

 

Ein Highlight gibt es dennoch an diesem Abend. Beim Stand von 45:54 viereinhalb Minuten vor dem Ende schickt Coach Kluck Seebold für Vanessa Erskine aufs Feld. "In dem Moment habe ich das auch noch gar nicht realisiert. Es waren noch wenige Punkte Rückstand und kurz vor Schluss. Ich wusste, dass ich in der wichtigsten Phase des Spiels eingewechselt werde und war sehr überrascht. Es war ein wahnsinniges Gefühl", sagt der Debütant. Auf dem Feld ist die anfängliche Nervosität wie weggeblasen. Erst blockt Seebold Münsterland Größten Bellers, dann schnappt er sich einen Offensivrebound. Zweieinhalb Minuten vor Schluss hat Seebold sogar die Chance, United auf drei Punkte heran zu werfen, doch der Ball fällt auf der falschen Seite vom Ring. Wenig später ist das Spiel aus, United verliert mit 53:57.

"Natürlich waren alle durch den Spielverlauf bedrückt und enttäuscht. Aber mit der Mannschaft zusammen in der Kabine zu sitzen, war ein mega gutes Gefühl", sagt Seebold. "In der Mannschaft herrscht eine unheimliche Energie. Das gesamte Team schmeißt sich rein, sie schreien bis zur Heiserkeit und pushen sich auf dem Feld und auf der Bank", sagt Conrad. Viele Erfahrungen, die das Nachwuchs-Duo an die 2. Mannschaft weitergeben möchte. Conrad muss allerdings vorerst noch auf sein Debüt warten. Enttäuscht ist er deshalb nicht. "Die Chance zu spielen war von vornherein gering", sagt Conrad. Die Wertschätzung von Coach Kluck habe ihm viel gegeben. "Er hat sich bei uns nach dem Spiel bedankt. Ich werde weiter hart arbeiten, damit ich einen sportlichen Grund habe und es verdiene eingewechselt zu werden", so Conrad.

 

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